Dies ist ein Review des Rollenspiels „Silent Legions*“ (DriveThruRPG) von Kevin Crawford, erschienen bei Sine Nomine Publishing. Es handelt sich um ein Review der PDF-Ausgabe, welche mit 189 Seiten, inklusive farbigem Front- und Back-Cover und einem guten Index daherkommt.
Ich spiele ja schon lange Horror-Rollenspiele. Nicht nur bei der Pummelrunde bin ich der Horror Hisho, sondern auch bei Pen & Paper Rollenspielen liebe ich Horror-Rollenspiele. Dabei sind meine Favoriten normalerweise Trail of Cthulhu, Call of Cthulhu und Unknown Armies. So ziemlich in der genannten Reihenfolge. Dazu kommen noch etliche andere, die genannten spiele ich jedoch am häufigsten.
Horror ist wohl eines der schwierigsten Genres. Computerspiele und Filme schaffen es schon einfach jemanden eine Gänsehaut zu verpassen. Wenn es aber darum geht bei Rollenspielern die richtige Stimmung aufkommen zu lassen wird es schwierig. Alleine die Wahl des Spielsystems fällt schwierig. Silent Legions ist in diesem Fall eine gute Wahl, vor allem wenn man aus der Old-School-Ecke des Rollenspielbereichs kommt und gerne nach der Sandkastenmethode spielt.
Die Regeln des Spiels passen auf 12 Seiten. Hierbei ist sogar das Kapitel „Erstellen eines Charakters“ mit 18 Seiten größer. Warum ich die beiden Kapitel als getrennt sehe – ich spiele es meist mit vorgefertigten Charakteren und die 12 Regelseiten reichen jedem Mitspieler für alles wesentliche aus.
Kevin Crawford ist auch der Autor von Stars Without Numbers*, dem Sci-Fi Rollenspiel meiner Wahl und wie bei allen Spielen von ihm gibt er einem alle Werkzeuge an die Hand um ein riesiges Sandkastenspiel zu spielen.
Was bekommst du im Buch geliefert?
Neben den Regeln zur Erstellung eines Charakters und den Spielregeln zu Silent Legions gibt es alles für den Horror-Sandkasten. Es gibt ein Kapitel über Zauberei, die Erstellung eines eigenen Mythos, der Erschaffung einer eigenen Welt, Kulte, ein Bestiarium und Informationen für den Spielleiter.
Aber fangen wir vorne an – Charaktererschaffung und Regeln
Die Charaktere haben die typischen D&D Attribute mit Werten zwischen 3 und 18 und damit verbundenen Modifikatoren von -2 bis +2.
Es stehen 4 Klassen zur Wahl. Der Ermittler, der Gelehrten, der Socializer und der harte Kerl. Jede Klasse hat verschiedene Fähigkeiten, die es z.B. gestatten Würfe zu wiederholen und ähnliche Spielereien. Zusätzlich haben die Klassen jeweils Primärattribute als Voraussetzung. Möchtest du eine bestimmte Klasse spielen, hast aber das Attribut nicht auf den benötigten 14 Punkten bekommst du automatisch die 14. Damit umgeht man geschickt das Problem der Mindestvoraussetzung für Klassen.
Wie in D&D-ähnlichen Spielen üblich gibt es Angriffsboni, Rüstungsklasse (je niedriger, desto besser) und Rettungswürfe.
Als Ergänzung zu den recht einfachen Grundgerüst von D&D kommen Fertigkeiten. Diese sind sowohl Background- als auch Klassenabhängig. Klassenfertigkeiten können bei einem Fehlschlag vom Charakter wiederholt werden, was die Charaktere in ihrer Nische aufwertet. Zusätzlich verfügen die Charaktere über Expertise-Punkte, um ihre speziellen Klassenfähigkeiten zu nutzen. Zuguterletzt gibt es den Wahnsinn als Wert.
Die Klassenfähigkeiten erhält jeder Charakter für seine Klasse auf den Stufen 1, 3, 7 und 10. Der Ermittler zum Beispiel kann dann einen Kontakt mit wichtigen Informationen aus dem Ärmel zaubern, der Gelehrte automatisch Fertigkeitschecks für wissenschaftliche Analysen meistern etc.. Die Fähigkeiten sind nicht übertrieben und passen gut zu den jeweiligen Klassen – auch wenn ich meine Zweifel habe, dass Charaktere die späteren Stufen zu Gesicht bekommen.
Abgerundet wird das Kapitel über die Charaktererschaffung mit Ausrüstung zum Kauf für eure Charaktere.
Die Regeln von Silent Legions passen – wie bereits erwähnt – auf 12 Seiten und jeder, der einmal einen D&D Klon oder Pathfinder gespielt hat sollte sich nicht verloren vorkommen. Sowohl Kampf, Attributswürfe, also auch Rettungswürfe nutzen den W20.
Das Fertigkeitensystem nutzt 2W6. Hier heißt es ganz einfach: 2W6 + den passenden Attributmodifikator + Fertigkeitsstufe muss gleich oder höher als der Zielwert sein. Meiner Meinung nach eine elegante und gute Lösung.
Rettungswürfe sind hier besonders zu erwähnen. Diese entsprechen nicht den klassischen D&D-Rettungswürfen. Es gibt die 5 Kategorien:
- Physikalische Effekte
- Mentale Effekte
- Ausweichen
- Magie und
- Glück.
Der Kampf ist klassisch, man würfelt 1W20, addiert Attributmodifikator, Kampffertigkeit, Angriffsbonus und – wichtig – die Rüstungsklasse des Gegners. Ist das Ergebnis gleich oder größer 20 trifft man. Eine 20 ist immer ein Erfolg, eine 1 immer ein Fehlschlag. Der Klassiker!
Schaden und Wahnsinn
Waffen haben einen sogenannten Schlachterei-Würfel. Dieser wird zusammen mit dem jeweiligen Schadenswürfel gewürfelt. Der Würfel ist abhängig von der Waffe und reicht von W6 bis W12. Zeigt dieser Würfel eine Zahl gleich oder größer als 6, so wird der Schaden verdreifacht.
Dies kann einem Charakter auch auf höheren Stufen direkt das Licht ausknipsen.
Wahnsinn startet bei 0 und steigt abhängig von den Taten des Charakters und der Dinge, die ihm oder ihr widerfahren. Bei 100 ist Ende und der Charakter ist nicht mehr zu gebrauchen. Der Wahnsinn sinkt mit Stufenaufstieg und durch die Annahme von Deliria. Diese entsprechen im Groben klassischen Geisteskrankheiten, wie man sie auch aus Call of Cthulhu (im folgenden kurz CoC) oder ähnlichen Spielen kennt.
Abgerundet werden die Regeln durch Charakteroptionen, Regeln für den Fortschritt und einer Kurzzusammenfassung der Regeln, die auf 1 – sprich EINE – Seite passen. Das bekommt ein „Daumen hoch“ von mir.
Zauberei
Das Kapitel für Zauberei bietet jede Menge Zauber und Rituale für Horror-Szenarien. Hierbei ähneln die Rituale und Zauber erst einmal denen aus ähnlichen Horror-Spielen und sind eigentlich nicht für Spielercharaktere gedacht. Also im Großen und Ganzen ganz CoC-ähnlich.
Hier fängt aber auch schon Crawfords Stärke an. Nicht nur liefert er Zauber – nein, er liefert ebenfalls ein System zu Erstellung eigener Zauber. Benötigt man eigene Zauber müssen nur ein paar Würfel gerollt werden und schon ist der neue dunkle Zauber fertig.
Zusätzlich zu den Zaubern gibt es noch sogenannte Okkulte Disziplinen. Diese entsprechen in etwa ESP, Telekinese und ähnlichen Fähigkeiten.
Erstelle dir deinen Mythos
Man kennt den Lovecraft’schen Mythos nach einigen Jahren ja nahezu auswendig. Sowohl Spielleiter als auch Spieler halten die Wesen dann nicht mehr für den ursprünglichen Schrecken wie einst. Für Spielleiter gibt es hier Sandbox-Tools zum Erstellen eines eigenen Pantheons an dunklen Göttern. Würfellisten für diverse Eigenschaften bis zum Namen der einzelnen dunklen Gottheiten sowie außerirdischen Wesen sind vorhanden. Hierbei kann z.B. entweder gewählt oder gewürfelt werden warum, weshalb und wieso die Aliens das tun, was sie tun.
Im weiteren Verlauf des Kapitels bekommt man Werkzeuge an die Hand um Kelipots zu erschaffen, andere Dimensionen wie z.B. Lovecrafts Traumlande.
Dieser Bereich schließt mit Listen zur Erstellung von Kulten und mystischen Artefakten ab. Dazu gehören auch alte Zauberschinken.
Bau dir deine Welt
Silent Legions ist als Sandbox-Spiel konzipiert und liefert dazu Unmengen an Tabellen und Listen auf denen etwas erwürfelt werden kann. In diesem Kapitel findest du Anleitungen zum Aufbau deiner Welt. Hinweise wie „starte klein“ und „bevölkere deine Region“, also einen Ort, eine Kleinstadt etc. mit deinem Mythos.
Hierzu kommt ein System zur Anwendung, welches ich aus anderen Sine Nomine Games kennen und lieben gelernt habe – Location Tags. Du hast kein Abenteuer? Keine Location und weißt noch nicht, was genau passieren soll?
Würfel zwei Mal für Location Tags und du erhältst dann fünf Punkte, die mit allem gefüllt werden, was dir gerade einfällt.
So hat jeder Tag (englisch gelesen Täg) die Bereiche Feinde, Freunde, Plan/Komplott, Geheimnis und Orte. Hinter jedem Punkt sind dann Beschreibungen aufgeführt, die du mit Namen etc. erweiterst.
Hier gibt es Kurzbeschreibungen wie Feind:“durchgeknallter verrückter Wissenschaftler“, Freund: „Panischer Zeuge übernatürlicher Ereignisse“, Plan: „Infektion mit Alien-Transformation verbreiten“, Geheimnis: „Eine Person an wichtiger Stelle ist davon abhängig“ oder Ort: „abgelegenes Gefängnis auf dem Land“.
Diese Punkte sollten jedem Spielleiter schnell helfen ein Bild von seinem Ort zu bekommen. Danach hilft Crawford mit Adventure Templates. Unter anderem erhält man hier Tabellen für die Gestaltung von Szenen. Von Ermittlung über Kampf bis zu Verfolgungsszenen ist fast alles vertreten. Man braucht schnell eine Inspiration für eine Szene – Würfel her und los geht es.
Zusätzlich gibt es Herausforderungen für die einzelnen Klassen. Mit einem W20 bekommt man vielleicht die Idee um einem Charakter gerade mal das Spotlight zu geben.
Abschließend gibt es noch One-Roll-Tabellen zur Erschaffung von NPCs und Verbrechen.
Kulte
Im Kapitel Kulte werden Kulte noch einmal aufgegriffen. In anderen Spielen heißen die Fraktionen. Hier liefert Silent Legions alles um Kulte auszuarbeiten und ein System sie zu verwalten. Kulte müssen dabei nicht unbedingt „böse“ sein, wobei böse und gut in einer Welt mit Lovecraft-Touch ja eh nur relativ zu sehen sind.
Bestiarium
Neben einigen Monstern findest du in diesem Kapitel auch Anleitungen zum erstellen eigener unaussprechlicher Monstren. Hinzu kommen noch Gifte und Krankheiten sowie eine Reihe von Gegnern. Hier gibt es vom Menschen/Kultisten bis zum Untoten, Tentakelmonster und Slasher, Beispiele zur sofortigen Verwendung.
Ressourcen für den Spielleiter
Das Buch schließt mit einigen zusätzlichen Werkzeugen ab. Ein Lovecraft’scher Namensgenerator, alternative Szenarien oder Backgrounds – darunter mein Liebling Luchadores Against Cthulhu – Regeln zur Verwendung von Silent Legions mit anderen Spielen, weitere Gruppierungen/Kulte und One-Roll-Mythos-Abscheulichkeiten.
Fazit
Ich habe Silent Legions damals bei Kickstarter unterstützt und habe keine Minute davon bereut. Abgesehen von den extrem guten Kickstarter-Kampagnen, die Kevin Crawford auffährt ist die Qualität seiner Rollenspielprodukte 1A.
Wenn ihr Call of Cthulhu oder ein anderes Horror-Rollenspiel spielt ist Silent Legions ebenfalls eine große Hilfe. Die Würfeltabellen, Location Tags und der Mythos-Generator überzeugt mich immer wieder und ich freue mich jedes mal wieder wenn ich damit super Ergebnisse erziele.
Daher: auch wenn ihr kein Interesse am eigentlichen System habt lohnt sich die Anschaffung für den Sandkasten-Faktor. Ich möchte Silent Legions nicht mehr aus meiner Sammlung hergeben.
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