Dies ist eine Rezension des Rollenspiels „Hyperborea – Meister des Stahls“ von Croc, erschienen in der deutschen Übersetzung beim Mario Truant Verlag. Es handelt sich um die Übersetzung des französischen Rollenspiels Bloodlust, in Frankreich erschienen bei ASMODÉE EDITIONS.
Ich rezensiere hierbei die deutsche Ausgabe in der limitierten Box mit der 1. Auflage des Regelwerkes von 2001. Das Regelwerk hat 215 Seiten und ist mit Ausnahme des Einbandes s/w illustriert. Die Coverillustration stammt von Paolo Parente und erinnert mich stark an Death Dealer von Frank Franzetta. Unter anderem war es das Cover, was mich damals dazu bewegte mir dieses Spiel zu kaufen.
Was ist Hyperborea – Meister des Stahls?
Hyperborea ist ein Fantasy-Rollenspiel. Es wird gerne dem Sword & Sorcery Genre zugeordnet. Wenn man es durchliest kommt einem auch gleich ein bleicher Zeitgenosse mit einem schwarzen Schwert in den Sinn. Elric von Melnibone und Sturmbringer lassen grüßen.
Das Alleinstellungsmerkmal von Hyperborea sind nämlich die intelligenten Waffen. Die Spieler verkörpern Waffenträger. Sie alle führen Waffen mit einem Eigenleben. Die Träger haben dabei leider das Nachsehen und somit kann man sich ein wenig darauf einstellen, dass der Träger öfters mal das Zeitliche segnet.
Die Waffe bleibt aber bestehen. Sie findet einen neuen Träger und ihre Chronik geht weiter.
In der normalen Spielweise für Einsteiger spielt der Spielleiter die Waffen. Die Regeln schlagen aber selbst Alternativen vor. Man kann zum Beispiel die Waffe spielen, als Spieler beides übernehmen oder die interessante Version, ein zweiter Spieler spielt die Waffe. Dies kann natürlich auch so sein, dass jeweils der nächste Spieler in der Runde die Waffe übernimmt. Diese Doppelbelastung ist natürlich nichts für jeden.
Was bekommst du im Buch geliefert?
Nach einer Einführung in die Welt des Spiels, den Kontinent Tanæphis folgen auf 13 Seiten die Regeln des Spiels. Schnell wird einem dabei klar, hier geht es brachial zur Sache. Kritische Treffer und Tabellen dominieren diesen Teil.
Die Geschichte ist halt passender Fülltext, der unter anderem auch einen Kampf beschreibt. Hyperborea verwendet ein W100-System. Also ähnlich wie Runequest oder Call of Cthulhu. Dabei können Charaktere Fertigkeitswerte von über 100% besitzen. Eine 100, also die Doppelnull ist immer ein kritischer Fehlschlag.
Sehr schön finde ich die Regel für Kritische Erfolge. Ist der Wurf ein Erfolg und hat man einen Pasch ist es ein kritischer Erfolg. Hierbei gibt es für die Anwendung von allgemeinen Fertigkeiten je nach Schwierigkeit zwischen +50% bis -50% auf den Fertigkeitswert. Erfolg hat man, wenn man niedriger Würfelt als der Fertigkeitswert. So weit, einfaches System.
Gibt es einen Wettstreit zwischen zwei Charakteren – zum Beispiel bei einem Wettschießen ist die Regel auch verhältnismäßig leicht. Hat keiner Erfolg oder nur einer ist ja alles klar, haben beide Erfolg entscheidet der Einerwürfel. Der höchste Wert gewinnt in diesem Fall – bei Gleichstand passiert nichts. Das nichts gefällt mir zwar nicht, ist aber vertretbar.
Die Regeln für den Kampf sind dann etwas komplexer. Es gibt unterschiedliche Aktionen oder Manöver. Diese haben jeweils Wirkung auf die Aktionen des Gegners und so bekommen die Kämpfer jeweils verschiedene Abzüge und Boni gegeneinander.
Waffenschaden wird von den Lebenspunkten abgezogen und erreichen die 0 gibt es für die Charaktere schwere Wunden. Entweder segnen die Charaktere dann das Zeitliche oder müssen eventuell mit „Folgen“ also permanenten Verletzungen bzw. Verkrüppelungen leben.
Es gibt ja Spieler, die gefallen an solchen etwas ausführlicheren Kampfsystemen haben – ich brauche so was heutzutage nicht mehr. Ich muss jedoch gestehen, dass ich damals vom System als Dungeon & Dragons Spieler begeistert war.
Charaktererschaffung
Alle Charaktere verfügen über die Eigenschaften Stärke, Konstitution, Geschicklichkeit, Schnelligkeit, Wahrnehmung und EGO. Bis auf EGO alles selbsterklärend. Ego ist in diesem Fall die mentale Widerstandskraft und auch die intellektuelle Begabung des Charakters. Die Eigenschaften haben einen Wert zwischen 1 und 20.
Die Völker Tanæphis sind bis auf eine Ausnahme menschlich. Es stehen auch Halbmenschen zur Auswahl. Diese sind Bastard-Nachkommen der ausgestorbenen Elfen, Zwerge und Orks. Als Ausgestoßene werden sie von keinen anderen Völkern so richtig akzeptiert.
Die restlichen Völker entsprechen Kulturen auf unserer guten alten Erde. Es gibt Amazonen, Wikinger, Römer etc. ohne die Kulturen bei ihren Namen zu nennen.
Jede Kultur hat ihre Basiswerte für einen Durchschnittsmenschen. Als Waffenträger darf man auf diese dann weiter 6 Punkte verteilen und wenn gewünscht eine Eigenschaft um bis zu 2 Punkte senken um eine weitere Eigenschaft zu erhöhen.
Als Spieler hast du dadurch ein gute Kontrolle über die Grundwerte deines Charakters.
Diese Kontrolle behältst du auch. Alle Fertigkeiten haben von deiner Herkunft abhängige Grundwerte in %. Diese kannst du noch erhöhen und so stehen dir für die Kampf- und für die allgemeinen Fertigkeiten Fertigkeitspunkte zum Verteilen zur Verfügung.
Damit ist der Charakter auch schon fast fertig. Das ganze geht recht zügig und bei der Sterblichkeitsrate von Charakteren ist das eine gute Eigenschaft für ein System.
Im Anschluss an die Fertigkeiten werden die Sekundären Eigenschaften ausgefüllt.
Lebenspunkte, Verlangen , Kontrollwert und Prestige gibt es hier zu bestimmen. Während Lebenspunkte und Prestige, also der Bekanntheitsgrad einleuchten sind die beiden anderen Eigenschaften speziell. Kontrollwert gibt an wie gut der Charakter die Waffe Kontrollieren kann. Das ist ein logischer Teil der Regeln und recht einfach gehalten.
Die Verlangen sind der Teil, der mir schon damals Kopfzerbrechen bereitet hat. Sie machten das Spiel 2001 zu einer kleinen Besonderheit für mich.
Es gibt die fünf Verlangen Einfluss, Gewalt, Reichtum, Reputation und Sex. Je nach der Höhe des Wertes hat der Charakter halt das Verlangen Einfluss zu erhalten, Gewalt anzuwenden etc.. Man kann diese Werte wie alle Werte zuvor beeinflussen. Im Spiel geben diese Werte aber vor, wie der Charakter zu spielen ist. Dazu lässt sich das Spiel nicht aus und später erfährt man auch warum.
Abschließen werden noch körperliche Erscheinung, Ausrüstung, Besonderheiten von Halbmenschen und Eliteeinheiten besprochen. Charaktere mit besonderen Voraussetzungen können diesen dann angehören.
Wir erschaffen Sturmb… eine Seelenwaffe
Das nächste Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit der Erschaffung einer Seelenwaffe. Seelenwaffen sind allesamt auf ihre Art intelligent und haben Talente, die sie für, aber auch gegen ihren Träger einsetzen können.
Ohne spezielle Talente haben alle Waffen folgendes gemein: sie sind unzerstörbar, können sich telepathisch mit ihrem Träger und anderen Seelenwaffen verständigen, wissen immer über den Zustand ihres Trägers bescheid und sind ohne diesen und eventuellen Talente Taub und Blind.
Auch die Waffen haben Verlangen und diese bekommen hier ihr Gewicht. Wie später im Buch noch erklärt wird sind die Verlangen nämlich eine der Möglichkeiten für die Waffe Erfahrungspunkte zu sammeln.
Während aber der Spieler bei den Charakteren die Wahl hat wird bei den Waffen die Stärke des Verlangens erwürfelt. Die Werte haben Einfluss auf das Verlangen des Charakters und sind auch Stoff für Zoff zwischen Waffen und Träger. Immerhin kann es sein, dass eine Waffe an Ruhm Interesse hat, der Charakter es aber mehr wegen des Geldes macht.
Die Waffen erhalten im Anschluss Talente. durch würfeln auf Tabellen. Hierdurch erhalten die Waffen besondere Eigenschaften. Dies reicht von ganz einfachen Boni bei Angriffen bis zu Fertigkeiten, mit denen sie dem Charakter helfen können. Wenn also die Waffe ein Meistertaktiker ist gibt sie dem Charakter hilfreiche Vorschläge. Es gibt auch exotische Talente. Darunter fallen zum Beispiel das Aufsaugen von Eigenschaften.oder zauberhafte Fähigkeiten wie zum Beispiel, den Charakter über Wasser laufen zu lassen oder einen Flammenstrahl zu verschießen.
Die Waffen können auch biomechanisch sein – mit Mund, Auge(n) oder sogar „Sexualorgan“ ausgestattet. Als ich das Spiel das erste mal las fand ich, dass hier versucht wurde „edgy“ zu sein. Heutzutage, als Fan von Monsterhearts und Apocalypse World stört mich das nicht mehr so sehr. Dennoch sollte darauf hingewiesen werden: es kann in diesem Spiel ein klein wenig „obszön“ werden. Was Spieler dann zum Erfahrungspunktegewinn machen sei jedem selber überlassen.
Alle Talente haben einen Punktwert. Hat man Talente im Gesamtwert von 100 erwürfelt und gewählt ist die Waffe fertig. Um mehr positive Talente zu wählen können auch Einschränkungen wie zum Beispiel „funktioniert nicht gegen Volk x“ erwürfelt werden.
Abschließend wird in diesem Kapitel noch besprochen wie die Waffe an Erfahrung gewinnt. Handelt der Träger gemäß dem Verlangen der Waffe erhält die Waffe Erfahrungspunkte. Je stärker das Verlangen der Waffe, desto höher die Erfahrungspunkte.
Mit den Erfahrungspunkten erwirbt man entweder neue Talente für die Waffen oder kommt zum letzten Schritt auf der Reise. Seelenwaffe und Träger vereinigen sich. Dabei besteht die Gefahr, dass beide ihre Existenz beenden. Das Endresultat ist im besten Fall aber ein recht mächtiges Wesen.
Bis dahin ist es aber ein langer Weg für die Spieler.
Abschließend wird noch einmal über die Ziele von Trägern und Waffen gesprochen und mehrere Arten des Spiels erläutert. Diese Arten habe ich oben schon einmal umrissen und mir gefällt am besten, dass ein Spieler die Waffe eines anderen Spielers spielt. Zudem wird noch einmal kurz das Thema Wechsel des Trägers besprochen.
Waffentalente
Alle Talente werden in diesem Kapitel ausführlich beschrieben.
Geschichtsstunde
Es folgt ein Kapitel über die Geschichte Hyperboreas und des Kontinents Tanæphis. Hier erfährt man, dass Tanæphis einem infernalischen Zyklus zum Opfer fällt. Eine der beiden Sonnen hat einen Zyklus von 28.000 Jahren. Im Winter, der 7.000 Jahre lang anhält erdrücken Eismassen alles Leben auf dem Kontinent. Seefahrt ist kein Thema für die Kulturen des Kontinents und aus bestimmten Gründen wiederholt sich die Geschichte Tanæphis wie ein schlechter Scherz alle 28.000 Jahre.
Nach der Einführung in die Geschichte kommt man dann in der Spielzeit an, die in etwa 11.500 Jahre nach dem Beginn des Zyklus startet. Das gibt den Spielern reichlich Zeit für Kampagnen. Im Anschluss werden die Gilden und Geheimbünde Tanæphis beschrieben.
Die Völker Tanaephis
In diesem Kapitel werden die einzelnen Völker Tanæphis im Detail betrachtet. Neben einem kurzen Einleitungstext gibt es hier mehr zu Lebensweise, politischen Organisation und Mythen und Legenden.
Der Atlas
Im Atlas finden sich Karten des Kontinents. Neben den wichtigsten Städten gibt es eine Klimakarte, eine Übersicht der Handelsbeziehungen und Handelswege. Karten zur Vegetation, den Reichen der untergegangenen Rassen sowie Kampfzonen. Das ganze hat wirklich das Erscheinungsbild eines Atlas. Dabei werden die unterschiedlichen Bereiche noch einmal beschrieben.
Anhänge
In den Anhängen finden Spielleiter alles weitere. Von Werten für Tiere, Monstern und Mutanten geht es über Kräuter und Gifte zu besonderen Regeln. In den meisten anderen Regelwerken findet man diese häufig bei den normalen Regeln und nicht in den Anhängen aber sei’s drum.
Hier geht es also nochmal um den Ruf, das sammeln von Erfahrungspunkten und Regeln für Stürze, das Ertrinken, Feuerschaden und ähnliches.
Das Kapitel endet mit Beispielcharakteren und „Der Wahrheit“.
Dieser Bereich ist klar nur für Spielleiter. In der Wahrheit erfährt der Spielleiter dann die wirkliche Geschichte der Welt. Auf knapp zwei Seiten erfährt man hier dann den Grund für die Seelenwaffen, deren geopolitischen Ziele und u.a. warum es keine Magier als Spielercharakter gibt.
Ich muss zugeben, dass ich die richtige Geschichte als „Meta-Plot“ eigentlich ganz amüsant finde und es stimmt, dass sich dadurch einige Besonderheiten in der Geschichte der Völker erklären lassen. Es passt und ist für mich stimmig. Da es sich hierbei jedoch um einen Punkt mit Plottwist-Möglichkeit handelt möchte ich hier möglichen Spielern nicht den Spaß nehmen. Wenn du planst dieses Spiel zu leiten, so sollte der Hintergrund für dich auch so schon interessant genug sein.
Abenteuer
Ein kleines dreiteiliges Abenteuer schließt das Buch ab. Das Abenteuer ist absichtlich als Einführung sehr geradlinig gestaltet und soll Spielern und Spielleiter helfen, sich in der Welt von Hyperborea zurechtzufinden. Die Seelenwaffen verfolgen hierbei sehr stark ein bestimmtes Ziel und es geht um nicht viel anderes. Alles in allem eine schöne Einführung in die Welt.
Zum Schluss noch das Charakterblatt
Am Ende gibt es noch das einseitige Charakterblatt.
Anmerkung zur Box
Ich habe eine der limitierten Ausgaben in einer Box. Darin enthalten sind noch zwei zehnseitige Würfel, ein Bogen mit abreißbaren Charakterblättern sowie ein Spielleiterschirm. Diese Box ist soweit ich weiß in dieser Art nicht mehr zu kaufen. Das Spiel selbst gibt es aber immer noch.
Fazit
Hyperborea – Meister des Stahls ist ein Spiel mit einem tollen Hintergrund. Auch wenn ich heute andere Systeme bevorzuge passt das System zur Welt. Durch das Gespann Waffe und Träger gibt das Spiel einem die Möglichkeit so einiges zu erleben. Stirbt der Träger wählt die Waffe einen neuen und es geht weiter. In der Verbindung steckt auch sehr viel Rollenspielpotential.
Aus Mangel an Französischkenntnissen weiß ich nur, dass es zusätzliche Bände zum Spiel gab. Diese wurden jedoch nicht übersetzt.Das finde ich ein wenig Schade, denn einige französische Rollenspiele haben einen richtig guten Meta-Plot bzw. eine übergeordnete Kampagne.
Die Welt habe ich mittlerweile auch einmal mit den Regeln von Ron Edwards Sorcerer bespielt. Es waren zwar nur zwei Runden, ich erinnere mich aber noch sehr gut daran. Ich mochte und mag den Plot der Welt immer noch. In andere Systeme lässt sich die Welt auch übertragen, dann aber vielleicht mit ein wenig zu viel Aufwand. Die Regel des Spiels sind nicht allzu komplex, ich experimentiere nur gerne herum und Sorcerer passt einfach wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.
Das Regelwerk gibt es für um die 15 € und für den Preis bekommt man ein ordentliches System und eine brutale Hintergrundwelt geboten. Für mich schreit das Setting nach Heavy Metal als Begleitmusik. und bei so einigen Illustrationen könnte man auch von möglichen Entwürfen für Alben-Cover ausgehen.
Meine Empfehlung: wenn du das Genre Sword & Sorcery magst (also Conan, Elric und Co), Metall und vielleicht W100 / % Systemen nicht abgeneigt gegenüber stehst, dann lohnt sich mal ein Blick.