Review: Mythic – Adventure Generator Role Playing System

Dies ist eine Rezension des Rollenspiel „Mythic*“ von Tom Pigeon, erschienen bei Word Mill Publishing. Es handelt sich um ein Review der Druckausgabe. Das Buch hat 146 Seiten plus farbigen Einband und ist mit S/W Zeichnungen illustriert.

Was ist Mythic genau?

Mythic Adventure Generator Role Playing System

Cover von Mythic

Mytic ist sowohl ein Rollenspielsystem als auch ein Werkzeug für Spielleiter. Ich habe

bei Silent Legions ja meine Liebe für Werkzeuge erwähnt. Alles, was einem Arbeit abnimmt ist eine tolle Sache. In jungen Jahren hatte ich mehr Zeit Abenteuer vorzubereiten. Heute sieht es ein wenig anders aus. Im Zeitdruck kommt mir jede Hilfe recht.

Das Buch teilt sich im Prinzip in das Rollenspiel und den Spielleiteremulator. Richtig gelesen, das Spiel emuliert einen Spielleiter. Dieses System ist losgelöst von den eigentlichen Regeln des Rollenspiels nutzbar. Das hat auch der Autor erkannt. Er verkauft den Mythic GM Emulator*als eigenständiges Produkt – netter Weise auch für weniger Geld.

Das eigentliche Rollenspiel erinnert ein wenig an Fate und dann auch wieder nicht. Es arbeitet viel mit Sprache.

Was erwartet dich im Buch?

In der Einleitung mit dem obligatorischen „Was ist ein Rollenspiel“ werden wichtige Begriffe erklärt. Hierbei macht der Autor sogar noch einen Witz über den obligatorischen Teil. Humor hat er schon mal. Nach einem „Was unterscheidet Mythic von anderen Rollenspielen“ geht es ins Kapitel 1.

Mythic Adventures

Hier wird auch gleich klargestellt. Mythic braucht keinen Spielleiter. Der Autor stellt dann verschiedene Methoden vor, wie das Spiel gespielt werden kann. Kein Spielleiter, ein oder mehrere Spieler oder halt doch klassisch mit einem Spielleiter und einer Gruppe von Spielern. Außerdem kann Mythic noch als Hilfe für Autoren von Belletristik verwendet werden.

Es folgt ein großer Hinweis darauf, dass Logik und Interpretation sehr wichtig sind. Sowohl für das Spiel als auch für den GM Emulator.

Im Anschluss werden Details und Ränge erläutert. Hier ist die Ähnlichkeit zu Fate. Die Ränge haben Ränge von Mickrig bis zu Übermenschlich und können noch erweitert werden. Jedem Detail in der Spielwelt wird ein Rang zugeteilt. Also jemand kann eine „überdurchschnittliche“ Stärke haben oder eine Mauer ist „unglaublich“ hart. Es ist ein Spiel mit Wörtern und die Wörter sind nach Rang sortiert. Da endet dann aber auch schon die Ähnlichkeit mit Fate und nach dieser Einleitung in die Grundlagen geht es zu Kapitel 2.

Charaktererschaffung

Die Charaktererschaffung läuft entweder Freiform oder mit einem Punkte-Kauf-System ab. Freiform entspricht dabei eher der Natur des Spiels. In einem Boxtext wird darüber informiert, dass Mythic dafür steht unvorbereitet zu einem Spiel zu kommen und das gilt auch für die Spieler und ihre Charaktere. So ist es eine natürliche Erweiterung des Gedankens.

Mythic bietet 7 Basisattribute, die aber erweitert werden können. Dies wären Stärke, Agilität, Reflexe, IQ, Intuition, Willensstärke und Härte. Die Ausgangsbasis bildet eine kurze Zusammenfassung über den Charakter. Das erinnert mich stark an HeroQuest von Robin Laws oder The Pool von James V. West (The Pool findest du kostenlos ganz unten auf der verlinkten Seite)

Fertigkeiten können mit Rang auch frei gewählt werden. Als jemand mit HeroQuest-Erfahrung ist mir das Konzept nicht neu. Wenn man es gröber mag, sagt man: mein Charakter ist ein „guter“ Polizist und kann dadurch alles „gut“, was uns für Polizisten einfällt. Alternativ kann man sehr detailliert werden, „guter“ Forensiker, „außerordentlicher“ Schütze etc.

Aus meiner Erfahrung heraus benötigen solche Systeme eine stimmige Gruppe, in der alle auf eine gute Story aus sind.

Zusätzlich verfügen die Charaktere noch über Stärken und Schwächen. Also Eigenschaften, die einem in bestimmten Momenten Vor- oder Nachteile geben. Beispiele sind gegeben, die Eigenschaften können aber frei gewählt werden.

Zum Ende soll noch alles wichtige für den Charakter notiert werden. Also seine Geschichte abgerundet werden.

Bevor das Kapitel zum Punkte-Kauf-Modell übergeht bekommt man das Favor-System ans Herz gelegt. Die Favor-Punkte sind wichtig um Würfe auf dem Fate-Chart zu ändern. Dieser Teil gehört für mich eigentlich zu den Regeln und inmitten der Charaktererschaffung ist er mir beim ersten mal nicht aufgefallen. Im Prinzip bekommen die Spieler Punkte abhängig davon ob und wie gut sie in der letzten Szene das Spiel vorangetrieben haben. Proaktive Spieler werden also belohnt.

Im Punkte-Kauf-Modell ist das selbe zu tun wie im Freiform-Modell. Nur gibt es hier einen Punktepool von dem sich Ränge gekauft werden. Schwächen geben hierbei Extra-Punkte. Das Spiel bietet für verschiedene Genres Beispiele für Punkte-Pools und maximale Ränge an. Dieses dienen zur Orientierung.

The Fate Chart

Diese Tabelle ist das Herzstück des Spiels und auch des GM Emulators. Alle Handlungen in Mythic werden anhand von Ja/Nein Fragen vorangetrieben. Fragen reichen von „treffe ich den Goblin“, „werde ich von den Wachen entdeckt“ bis zu Meta-Fragen wie „plant der böse Overlord ein Attentat“, „finde ich hinweise auf ein Attentat“ oder einfach „gibt es in diesem Raum einen Schatz“.

Das Spiel startet bei einer 50/50 als Basis im Zentrum der Tabelle. Dieser Wert wird beeinflusst von einigen Faktoren. Spielt man nach den Regeln von Mythic haben die Eigenschaften und Fertigkeiten sowie Stärken, Schwächen und die Schwierigkeit einen Einfluss. Nimmt man es nur für den GM Emulator nutzt man nur den Chaos-Faktor und die Chancen-Einteilung.

Der Chaos-Faktor verschiebt den Grundwert und gewürfelt wird mit einem W100 gegen den jeweils in der Liste genanten Prozentwert. Je höher der Chaosfaktor, desto höher die Wahrscheinlichkeit für ein Ja.

Die Chancen geben an in welcher Reihe man suchen muss. Sagt man zum Beispiel das etwas sehr wahrscheinlich ist liegt die Grundchance bei 85%. Damit können Spieler ihre Umwelt erfragen und somit immer mehr ausbauen.. Das System regt zu Missbrauch an, ist aber als Werkzeug für Spielleiter gut zu gebrauchen.

Wie funktioniert das jetzt?

Ein Spieler fragt mich ob es in der Ruine leben gibt und ich bin mir nicht sicher. Also nehme ich mir die Tabelle und schaue nach. Die Spieler befinden sich mitten in einem Post-Apokalyptischen Szenario. Sie laufen durch ein Trümmerfeld ehemaliger Gebäude. Ich denke, es ist „leicht möglich“ hier auf andere Lebewesen zu treffen. Die Spieler haben ganz schön Stress hinter sich und der Chaos Faktor ist bei 6. Nach einem kurzen Blick auf die Tabelle wird klar: werfe ich 80 oder niedriger treffen sie da auf Leben.

Das selbe mache ich auch, wenn ein Raum nicht sonderlich ausgearbeitet ist und ein Spieler eine Frage stellt. Diese Tabelle ist seit dem Kauf des Spiels für alle anderen Spiele mein ständiger Begleiter.

Im Rest des Kapitels geht der Autor noch auf die Verwendung der Tabelle in bestimmten Fällen ein. Wie man am besten Fragen stellt und wie man die Antworten interpretiert. Es gibt am Ende noch ein Beispiel für eine Auflösungstabelle. Diese Resolution Tables sind ein Spielelement, auf dem die Spieler bisherige Entscheidungen festhalten. In Zukunft kann bei den gleichen Fragen dann darauf zurückgegriffen werden.

Task Resolution

Abseits der Fragen beschäftigt sich Kapitel 4 mit dem Thema, wie man das System den nun verwendet um Handlungen durchzuführen. Das ist irgendwie doppelt-gemoppelt. Der Zusatzwert hier ist das Thema um die Resolution Tables. Spielt man nach den Regeln sind diese sehr hilfreich und zu empfehlen.

Der Kampf

Das Kapitel erläutert wie man das obige System für Kämpfe einsetzen kann. Es ändert sich nichts am beschrieben Vorgehen. Kämpfe haben keine Runden und keine Initiative. Stattdessen wird wieder gefragt.

Es folgen Regeln um Wunden, Verletzungen etc.. Alles ist rund um die selbe Fragemechanik aufgebaut. Hierbei haben natürlich Waffen und Rüstung Eigenschaften die Bewirken, dass man jemanden verletzt oder halt nicht.

Zum Abschluss gibt es noch zwei Kampfbeispiele.

Zufall

Der Zufall spielt im Spiel eine große Rolle und Kapitel 6 beschäftigt sich damit. Dieses Kapitel ist das für mich wichtigste neben dem Fate-Chart. Es enthält wichtige Werkzeuge für mich und ich habe mir ein Cheat-Sheet davon gemacht. Dieses bringe ich zu allen Spielen die ich leite mit.

Wenn es zu einer Szene kommt würfelt man auf einer kleinen Tabelle und bekommt erst mal eine Idee um was es gehen wird. Gibt es einen negativen Nichtspielercharakter, steuern die Charaktere auf eine Bedrohung zu oder passiert etwas abseits der Szene – eine Explosion am Stadtrand vielleicht?

Das für mich wichtigste an diesen Events sind die beiden Tabellen für die Bedeutung des Ereignisses. So gibt es einmal die Handlung und einmal das Subjekt. Aus beiden Tabellen ergibt sich per Wurf dann so etwas wie:

  • Handlung: Brechen, Subjekt: Sieg
  • Handlung: Übermaß, Subjekt Widrigkeiten
  • Handlung: Verehren, Subjekt: Tod

Aus diesen jeweils zwei Wörtern kann man dann die Szene improvisieren und weitere Fragen stellen.

Beispiele

Sieg und brechen kann für ein Waterloo an dieser Stelle stehen. Eine ruhmreiche Gang oder Armee findet hier gerade ihr Ende und die Spieler nehmen vielleicht daran Teil. Übermaß an Widrigkeiten sagt mir vielleicht, dass es in einer Ruine nur so von Fallen wimmelt oder das ganze Gebäude einsturzgefährdet ist. Verehren und Tod verleitet mich zur Annahme, dass hier ein Todeskult seinen Tempel haben könnte.

Ich stelle also Fragen wie: „Tobt hier gerade ein Gefecht? Nein, ok ein Krieg? Nein! Ok, dann ein Bandenkrieg. Ja“. Damit arbeite ich mich schnell durch die Szene und schon bin ich auf dem Laufenden.

Das schöne daran, ich bin genauso überrascht wie die Spieler. Für Spielleiter, die nur ungern improvisieren kann das natürlich unangenehm sein. Das System kann aber auch in der Vorbereitungsphase verwendet werden und ist dann ein super Werkzeug für jeden.

Das Abenteuer

In Kapitel 7 erfährst du dann wie du die Mechaniken zu einem Abenteuer zusammenfließen lässt. Hierfür gibt es ein Blatt für die Abenteuer-Zusammenfassung. Darauf werden die Szenen, Ereignisse, Charaktere und Geschichtsfäden notiert. Außerdem wird hier über den Chaos-Faktor Buch geführt. Hat man Erfolg in einer Szene und bringt das Geschehen unter Kontrolle geht er runter, geht was schief geht er hoch.

Auf den folgenden Seiten beschreibt der Autor dann wie man Szenen mit dem System kreiert und nach dem Ausspielen dann die Buchhaltung fortführt. Das hört sich etwas trocken an und mit Spielern würde ich es auch vereinfachen. Im Solo-Spiel hilft dies allerdings bei der Übersicht.

Spielleiter-Emulator

Kapitel 8 beschäftigt sich nun ganz und gar damit einen Spielleiter zu emulieren. Dafür ist ein wenig Vorbereitung nötig – also Stift und Papier für Notizen. Das ganze wird schön erklärt und man kann, muss es aber nicht übernehmen. Es gibt sogar ein Beispiel.

Weltenbau

Weltenbau in Mythic ist im Prinzip die Erstellung von eigenen Würfel- und Begegnungstabellen. Wer schon einmal ein Old-School-Rollenspiel geleitet hat kennt die Begegnungstabellen. Hier gelten die Tabellen allerdings für alles mögliche und die Spieler füllen sie über Zeit mit ihren Ideen.

Charakterentwicklung

Hier gibt es Regeln zur Weiterentwicklung des Charakters. Ausbau der Fertigkeiten spielen hier genauso eine Rolle wie Alter und gesundheitliche Entwicklung.

Umstieg auf Mythic

Das Kapitel 11 beschäftigt sich mit dem Umstieg von anderen Systemen auf Mythic. Hierbei werden verschiedene bekannte Würfelsysteme aus bekannten Systemen in Mythic Attribute umgewandelt.

Notizen und Vorschläge

Kapitel 12 ist eine kleine Q&A Runde zu den Spielregeln mit Vorschlägen für Änderungen nach den Vorlieben bestimmter Spieler. Dazu gibt es noch ein paar Tipps für den besseren Umgang mit Mythic.

Beispiele

Kapitel 13 mit seinen ausführlichen Beispielen schließt den Textteil des Buches ab. Auf mehreren Seiten findest du hier die Regeln in Spielbeispielen.

Das Ende

Am Ende des Buches findet man noch einmal alle Tabellen und Formulare für das Spiel. Aus der Auswahl lässt sich auch schnell mal das Wichtigste zusammen kopieren.

Mein Fazit

Das eigentliche System werde ich wohl nie verwenden. Ich finde es für meinen Teil zu schwierig in der Anwendung. Ich würde entweder HeroQuest 2nd oder Fate den Vorzug geben, da mir in beiden Fällen die Regeln wesentlich besser gefallen.

Künstlerisch habe ich schon weitaus schönere Bücher gesehen. Das Layout und die Einteilung der Kapitel hätte man auch besser gestalten können. Es hält sich aber im Rahmen.

Der GM Emulator allerdings ist Gold wert. Als jemand, der mit Traveller im Solo-Spiel und Abenteuerspielbüchern schon einige Stunden verbracht hat empfehle ich es für Gedankenexperimente. Mit dem GM Emulator habe ich auch schon mal ein D&D Dungeon Probe gespielt und ihn für die die Abenteuerentwicklung für meine Gruppen genutzt.

Die Fate-Chart und die Ereignis-Tabellen möchte ich nicht mehr hergeben. Ausgedruckt befinden die beiden Dinge sich in allen Spieleordnern die ich angelegt habe. Außerdem sind sie fester Bestandteil meines Blanko-Spielleiterschirms.

Ich weiß nicht genau was alles Teil des Einzelprodukts „GM Emulator“ ist, aber Mythic hat sich für mich alleine schon durch diese Bestandteile mehr als bezahlt gemacht.

 

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